Donnerstag Abend, 21 Uhr. Ich schließe völlig fertig meine Wohnungstür auf und lasse mich auf die Couch fallen. Workout done, 1 Stunde durchpowern done. Davor ein Shake aus drei Bananen, jetzt gibt es eine Gemüsepfanne mit Kartoffeln. Auf dem Weg zur Couch komme ich an meinem Spiegel vorbei. Der steht halt da. Und tatsächlich gibt es diese Millisekunde, in der ich mir selbst zunicke und denke: Das da! Das sieht fit aus. Und vor allem gesund. Ein gesunder Mensch in einem gesunden Körper. Läuft. Selbstgespräche deluxe.
Ich krame die Festplatte raus und wühle mich zurück zum September 2014. Der Monat, in dem ich nach Hamburg gezogen bin. Und der Monat, in dem es kurz vorher, nach einem Sommer mit seinen durchzechten Nächten, bei mir klick machte. Warum?
600 Tage zuvor
Wir katapultieren uns einmal um 600 Tage zurück an das Ende meines Studiums: Anna und ich im Metronom via Uelzen nach Hamburg. Um Jobs, Wohnungen und das generelle Feeling auszuloten. Auch im Gepäck: Die Kamera, um vielleicht zum Elbstrand rauszufahren und ein paar Fotos für meinen Blogheader zu schießen.
“Sorry, dieser Sommer hat mir echt die Puste genommen!” stammele ich, als Anna beschwingt die Treppenstufen zum Elbstrand runterhopst und ich mühsam hinterher tapse. Ich versuche zu überspielen, dass sogar bergab klettern mir heftiges Seitenstechen bereitet, dass ich irgendwie nicht mehr die fröhliche, happy Luise bin, die Anna kennt, und dass ich gerade lieber in meinem Bett liegen würde. Allein. Ich habe mich monatelang nicht wirklich bewegt – denn bekanntlich zählt tanzen auf einer Box nicht als Bewegung, wenn man dabei in jeder Hand einen Gin Tonic hält. Mit meiner fitten Freundin mitzuhalten fühlt sich in dem Moment an wie kämpfen ums Überleben. Wir schießen ein paar Fotos, eine Pause, die ich nutze um wieder zu Atem zu kommen. Ich bin so müde, ich möchte mich trotz 13 Grad Außentemperatur auf dem kalten Sand zusammenrollen und schlafen, aber sie ist schneller und schlägt neue, lustige Sachen vor. “Da hinten sind so Treppen, wenn man die bis nach oben klettert, hat man einen tollen Ausblick über Hamburg!” Ich erwache aus meiner Trance.
“Wie viele Stufen?” japse ich hysterisch und versuche meinen Tonfall locker und fröhlich klingen zu lassen. Klasse Idee, Anna. Echt jetzt. Aber ich mache mit, klettere mit, schiebe mich durch Hamburg, und bin abends froh, wieder Zuhause zu sein, mich nicht bewegen zu müssen. Ich hätte den ganzen Sommer nichts für meinen Rücken getan und unfassbare Schmerzen nun – Skoliose eben. Kurz vornüber beugen und einen Katzenbuckel machen, um meinen Rücken zu entlasten, mein Trick seit Arbeitstagen rennend im Einzelhandel. Dann setze ich an, um ihren beschwingten Schritten hinterher zu hetzen.
Als ich mir am nächsten Morgen die Bilder von der Speicherkarte auf den Laptop ziehe, wird mir kurz schwindlig und ganz anders zumute – ein kalter Eimer Wasser über mir, quasi. Unangekündigt. Wow, das bin ich? Ich erkenne mich nicht wieder, aber ich sehe wohl genauso aus, wie ich mich fühle – unfit. Nicht ich selbst. Die schlechteste Haut ever. Dauerkrank. Braun gebrannt. Mies gelaunt.
Ich denke, dass es für alles im Leben einen Auslöser gibt, einen Trigger, einen Klick-mach-Moment. Bei mir waren es diese Bilder. Die noch nie irgendwer gesehen hat – bis auf Anna.
Es waren nicht unbedingt die 80 Kilo oder neue Speckrollen, die mir hier ins Auge stachen. Ich sah diese Bilder an und sah ein braun gebranntes aber tief unglückliches Mädchen.
Aussehen ist nicht alles – aber Balance, Gesundheit und Selbstbewusstsein sind es. Das hier, das war der Moment an dem ich merkte – ich hatte alles davon verloren. Die Balance, die mir sagte, was ein guter Mittelweg zwischen Alkohol und Wasser, zwischen Pizza und Salat oder wach sein und schlafen wäre. Meine Gesundheit, denn nur zu gut erinnere ich mich, wie ich dauerkrank war, Erkältung, Bronchitis, Stimme weg, schlapp, wieder Erkältung … Ich fühlte mich unwohl, während wir sie schossen, weil ich vom Treppensteigen noch außer Puste war, und ich fühlte mich unwohl, als ich sie auf dem Laptop durchklickte. So unwohl, dass ich sie löschte und beschloss, sie niemals irgendwem zu zeigen.
Dieser Mensch, dieser Körper, dieses Leben, all das, was die Fotos mir zeigten: Das war einfach nicht ich. Das wollte ich nicht sein. Diese Fotos hier – sind mein Klick.
Nichts ändert sich, solange du dich nicht änderst – und wenn du dich änderst, ändert sich alles.
Nichts ändert sich, so lange es nicht klick gemacht hat – sobald es klick macht, ändert sich alles.
600 Tage später, 600 Tage nachdem es klick machte.
Wir schreiben den 20. Mai 2016. Ich sitze am Schreibtisch, blicke raus auf meine Straße in Hamburg und starte den Tag mit einem Avocado-Ei-Toast, Maracujaschorle mit viel Wasser und einem Apfel. Ich klicke mich durch die Bilder, die ich zum Glück nur vom Laptop und nicht auch von der Festplatte gelöscht habe und weiß: Das hier, das war dieser Moment. Den werde ich nie vergessen. Denn es hat tatsächlich klick gemacht.
Ich habe mein Leben nicht radikal von einem auf den anderen Tag geändert – aber ich habe jeden Tag ein bisschen was dafür getan, meine Balance wieder zu finden. Jeden Tag ein kleiner Schritt. Zum Beispiel loszugehen, und mir echte Sportschuhe zu kaufen. Mich für Rückengymnastik anzumelden und zwischen lauter alten Frauen zu sitzen. Trotz minus sechs Grad laufen zu gehen, weil ich neue Handschuhe hatte, die ich mal ausprobieren wollte. Yoga Zuhause auf meinem Teppich testen. Burpees üben, Planken halten und Klimmzüge versuchen. Und ich habe mir ein Dokument angelegt, in dem ich meine sportlichen Fortschritte aufgeschrieben habe (Post: Fitness Diary).
Ich habe gelernt, dass zwei Kaffee und zwei Bier keine adäquate tägliche Flüssigkeitszufuhr darstellen. Wie man Brokkoli, Blumenkohl und Aubergine zubereitet, eine Avocado oder Mango am besten aufschneidet und dass Granatapfel auspuhlen echt dreckig machen kann. Ich habe Liegestütze gelernt – inzwischen kann ich 15 saubere hintereinander.
Alkohol habe ich seitdem nur in Maßen konsumiert, 2015 waren es im ganzen Jahr vielleicht 10 Drinks, seit dem 01.01. habe ich Alkohol komplett aus meinem Leben gestrichen. Ich kriege Kopfschmerzen, wenn ich nur daran denke welchen trinken zu müssen. Ich trinke weiterhin Bier, aber bitte alkoholfrei. Ich esse weiterhin sehr gerne Pasta – aber unbedingt mit einer Gemüsebeilage. Statt Cocktails gibt es Saftschorlen zu Knoblauchbrot und Salat. Ich esse Schoki, aber keine drei Tafeln. Ich schlafe Samstag Morgen aus, gehe aber dafür Sonntags eine Runde laufen. Ich zähle keine Kalorien denn das halte ich für krank, aber vertraue meinem Körper, wann er gesundes will und wann er Soulfood braucht. Und ich liebe Pommes, da gibt es kein Aber. Das hier – das nenne ich Balance.
Ich kann von mir behaupten, bis auf 2-3x Migräne dieses Jahr noch nicht krank gewesen zu sein. An apple a day REALLY keeps the doctor away. Tatsächlich ist mir gestern Abend, als ich an meinem Spiegel vorbeilief, der eben da so stand, aufgefallen: Ich war noch nie gesünder, fitter, ausgeglichener, selbstbewusster und glücklicher als ich es jetzt gerade bin. Man muss am Boden sein, um überhaupt aufstehen zu können. Ich wäre jetzt nicht so glücklich, wäre ich damals nicht so unglücklich gewesen. Also danke, damals. Danke Anna. Für dieses Klick.
Meine erste Fitness Routine vom April ’15 // Video: Wie ich 12 kg abgenommen habe // Was ich esse: Food Diary Playlist // Blogkategorie: Food // Blogkategorie Fitness // Video: 5 Arten von Fitness, die ich ausprobiert habe // Fitness Motivation mit Kim // Meine zweite Fitness Routine vom März ’16 // Video: Lauftipps für Anfänger
Kathi says
Liebe Luise,
ich finde den Post echt klasse, denn ich kenne diesen “Klick”-Moment!
Ich habe im letzten Jahr 25kg abgenommen. Ich bin zwar noch lange nicht am Ende meiner “Abnehmreise” angekommen aber ich fühle mich jetzt schon so viel besser. Mir geht es genau so, wie du schreibst. Ich fühle mich viel fitter und gesünder, dieses Gefühl macht einfach nur glücklich!
Mein Klickmoment war, als ich nach einer neuen Jeans gesucht habe und mir in keinem Laden selbst die größte Größe gepasst hat.
Von da an habe ich Schritt für Schritt angefangen meine Ernährung umzustellen und langsam Sport in meinen Alltag zu integrieren.
Ich wollte noch mal sagen, dass du wirklich eine große Inspiration für mich bist und mich vor allem auch immer motivierst. Und danke, dass du solche Beiträge und Bilder wie heute mit uns teilst!
Bitte mach weiter so :)
Liebe Grüße,
Kathi
Nyra says
Hey Luise,
ich habe dich vor ein paar Tagen auf Youtube entdeckt und ich finde dich einfach mega motivierend. In den letzten Wochen habe ich den Sport etwas schleifen lassen, aber nachdem ich gerade einen Post gelesen habe, möchte ich gerne heute noch eine Runde Laufen gehen.
Ich finde dich viel motivierender als die meisten Fitness-Youtuber, weil du für mich sehr ehrlich rüber kommst. Es echt cool und mutig von dir über dieses Klick-Ereignis zu schreiben und die Bilder zu zeigen.
Vielleicht ließt du jetzt öfters etwas von mir.
Liebe Grüße,
Nyra.
Sabrina says
Hallo Luise,
ich hatte in einem deiner Videos schon mitbekommen, dass du Skoliose hast, genau wie ich. Und ich wollte dich die ganze Zeit schon mal fragen, was genau du dafür machst.
Meine Physiotherapeutin sagte mir, ich soll bloß nicht ins Fitness-Studio irgendwelche Rückenübungen machen, sondern lieber 1x im Monat oder öfter wenn nötig zur Thai-Massage. Zuhause ein paar Rückenübungen machen würde ausreichen. Mein Orthopäde sagte, ich soll regelmäßig Sport machen (er sprach vom Fitness-Studio) und die Einlagen tragen, dann geht das schon weg. Heute, 3 Monate später nach der Diagnose, habe ich immer noch ziemliche Rückenschmerzen, trotz Übungen und Einlagen.
Ich bin mir noch sehr unsicher, wem ich was glauben soll, deshalb frag ich jetzt einfach dich :)
Würde mich über eine Antwort sehr freuen, auch wenn es natürlich bei jedem Menschen verschieden ist, aber vielleicht hilft mir ja was von deinen Tipps!
Liebe Grüße
Sabrina
Marie Luise Ritter says
Hi Sabrina,
um die Rückenmuskulatur zu stärken muss man Sport machen – wie soll denn Massage dabei helfen :D Also klar, Massage ist super aber hilft kurzfristig Verspannungen zu lösen und nicht langfristig was zu ändern. Also ich setze auf Sport, meine beiden Fitness Routinen findest du im Post verlinkt. :-)
Julia's Beauty Blog says
Du bist für mich so eine Inspiration.
Ich mag deine positive Art sehr gerne und versuche sehr viel davon auch in meinen Alltag zu integrieren.
Mach weiter so & zeige noch ganz viele Fooddiarys von dir, die schaue ich am Liebsten zum Essen.
Ich hoffe sehr, dass ich dir im Urlaub vielleicht mal in Hamburg über den Weg laufe :D Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Liebe Grüße,
Julia :)
M says
Liebe Luise,
Ich hatte vor ein paar Wochen diesen Klickmoment, nachdem ich unglücklich aus dem Zara kam, weil ich tatsächlich in keine Hose mehr passte. Der Blick auf die Waage die 70 Kilo anzeigte, war dann der letzte Beweis dafür dass es so nicht weitergehen kann. Jetzt gehe ich regelmäßig joggen und zum Sport, verzichte weitestgehend auf Zucker (hat mehr mit einer Immunerkrankung zu tun als mit dem abnehmen) und esse viel gesünder. Ich dachte immer ich kann mich gar nicht anders ernähren, Avocado, Zucchina und ähnliches schmeckt mir doch gar nicht. Und was ist Quinoa überhaupt? Tja, so schnell ändern sich die Dinge. Balance ist unfassbar wichtig und wenn ich Lust auf Pizza habe, dann gibt es eben mal Pizza. Aber sehr oft kommt das nicht mehr vor. Dein Text hat mich sehr an mich erinnert und es motiviert mich, wie sehr deine Lebensumstellung dir geholfen hat.
Danke für deine ehrlichen Texte!
Jule Marie says
Super super schöner Post, es war so schön ihn zu lesen:-) Bleib so wie du bist!
Die andere süße soft Eis Verkäuferin
Andrea says
Liebe Luise,
ich habe gerade das Video gesehen, welches du in Reaktion auf die Rückmeldungen zu diesem Post gemacht hast. Ich hätte mich beinahe mit dir in Rage reden können! Ich habe auch überhaupt kein Verständnis für diese ganzen Programme und Apps und was auch immer Menschen benutzen, um anzunehmen. Mir fällt es auch schwer zu verstehen, warum es so vielen Leuten nicht gelingt, einen aufgewogenen und gesunden Lebensstil zu führen. Jeder ist anders und jeder hat sein Gewicht, bei dem der Körper sich automatisch einpendelt. Niemand sollte sich an irgendwelchen Idealen orientieren, die einem als perfekt verkauft werden. Ich liebe es, Sport zu treiben und gesund zu essen. Das ist für mich völlig normal. Ebenso normal ist es für mich, mir abends nach dem Essen noch ein paar Stücke Schokolade zu nehmen. Gesund sein ist einfach sooo wichtig für jeden. Vielen ist, denke ich, gar nicht bewusst, wie krank es eigentlich ist, was manche Leute so machen. Jedes mal, wenn ich in meinem Umfeld etwas von Kalorien zählen höre oder davon wie viel jemand noch essen darf, könnte ich genau so wütend werden! Ich hoffe, dass du richtig viele Frauen erreichen kannst und wach rüttelst!!
Liebste Grüße
Andrea von http://www.chapeau-blog.de