Überall Hass. Ich fühle mich machtlos. Gelähmt. Kann nicht anders, als mich stundenlang durch Nachrichtenseiten, Nichtwissen und bislang noch inhaltslosen Sensationsjournalismus zu klicken, Newsticker zu aktualisieren oder immer und immer weiterzulesen – als würde die stundenlange Recherche irgendetwas besser oder ungeschehen machen.
Im November, als die Anschläge im Bataclan in Paris waren, hatte ich unfassbare Angst. Ich nahm jedem, der “trotz allem” weiterhin fröhlichen Alltag auf Social Media postete, genau das unfassbar übel, war traurig, dass Menschen einfach so “weitermachen”, nicht betroffen sind, pöbelte eine Freundin voll, das meiner Meinung nach falsche posten. Dabei ist das nichts als Quatsch – habe ich inzwischen für mich erkannt. Und es tut mir leid.
Die Anschläge in Nizza, die mich die ganze Nacht wachhielten, nahm ich als Anlass mit dem Buch “Meinen Hass bekommt ihr nicht” von Antoine Leiris anzufangen. Und gerade eben, als ich ein Video mit Schüssen in München in meiner Timeline aufklappen sah, hatte ich nur genau diesen Satz im Kopf. Und diese hier: “Nein, ich werde euch nicht das Geschenk machen, euch zu hassen. Auch wenn ihr euch sehr darum bemüht habt; auf den Hass mit Wut zu antworten würde bedeuten, derselben Ignoranz nachzugeben, die euch zu dem gemacht hat, was ihr seid. Ihr wollt, dass ich Angst habe, dass ich meine Mitbürger mit misstrauischem Blick betrachte, dass ich meine Freiheit der Sicherheit opfere. Verloren. Der Spieler ist noch im Spiel.” (Quelle)
Eben noch Paris, Nizza, dann Würzburg, jetzt München. Meine Gedanken sind bei den Opfern, bei allen Menschen, deren Leben in Freiheit durch tote Seelen beeinträchtigt oder genommen wurde – aber deswegen werde ich mein glückliches Leben niemals aufhören, genau so zu leben, wie ich es tue. Das alles hier, kann nicht in einem Leben in Angst enden. Ich werde meine Freiheit niemals zugunsten von Sicherheit aufgeben. Mich nicht mehr raustrauen. Mich verstecken. Mein Leben einschränken. Das alles – niemals.
Ihr fühlt nichts als Hass. Ihr wollt meine Angst. Mein Misstrauen. Theoretisch könnte jederzeit überall etwas passieren. Das ist so unfassbar, macht mich traurig – aber ich werde trotzdem niemals den Glauben an die Menschheit, den Glauben an Frieden und an das Gute verlieren. Niemals wieder einem Menschen Mitgefühl oder Betroffenheit absprechen, nur weil er sich dafür entscheidet, immer und immer weiter positiv zu bleiben. Denn jeder geht damit auf seine Art und Weise um – das reicht von tiefgründigen Spruchbildern, betroffenen Worten über Jetzt-erst-Recht-starkmachendem-Optimismus bis zu komplettem Online Durchdrehen, brauner Hetze und blankem Hass.
Das einzige, was für mich in Frage kommt, die einzige mögliche Antwort: Liebe statt Hass. Zusammenzuhalten. Meine Angst bekommt ihr nicht. Meinen Hass bekommt ihr auch nicht.
Lena says
Guter Text! Klar, jeder geht anders um mit so einer Situation und man sollte sein Leben nicht einschränken. Aber trotzdem sollte man nicht genau in dem Moment, wenn die Nachrichten gerade berichten, fröhlich posten, dass man heute noch feiern geht. Manche weinen bei Snapchat und du freust dich feiern zu gehen. Kam irgendwie seltsam rüber.
Marie Luise Ritter says
… sehe ich nicht so! Denn: “Ich werde niemals wieder einem Menschen Mitgefühl oder Betroffenheit absprechen, nur weil er sich dafür entscheidet, immer und immer weiter positiv zu bleiben. Und: Jeder geht damit auf seine Art und Weise um.” & “Meine Gedanken sind bei den Opfern, bei allen Menschen, deren Leben in Freiheit durch tote Seelen beeinträchtigt oder genommen wurde – aber deswegen werde ich mein glückliches Leben niemals aufhören, genau so zu leben, wie ich es tue.”
Janina says
Danke. Mit deinem Post hast du mir gerade sehr geholfen. Seid ich gegen halb 7 von der schießerei in München erfahren habe mache ich nämlich auch nichts anderes als zu suchen. Mich zu informieren, ohne genau zu wissen warum und mit immer mehr ekel und Abscheu einigen Kommentaren und Meinungen gegenüber. Als sehr Empathischer, harmonibedürftiger Mensch macht es mich wahnsinnig fertig so viel Hass zu empfinden, mit so viel Hass von anderen umgehen zu müssen. Aber du hast mich gerade daran erinnert das Liebe so viel wichtiger und so viel stärker ist. Danke!
Becky_schnecky says
Du hast zu 100% Recht.
Es ist einfach zu traurig & vorallem unverständlich was in dieser Welt.. in diesen Köpfen vor sich geht.
#Prayforpeace
Tessa says
Ich bin vollkommen deiner Meinung, ich finde, man sollte versuchen weiterzuleben und sich nicht einschüchtern zu lassen, denn letztendlich ändert es leider nichts…
Lisa says
Wow! Kann ich da nur sagen. Du hast deine Gefühle und Gedanken wirklich in einen Tollen Text verwandelt. Ich teile deine Gefühle wie du sie dort beschreibst.
Der Hass auf der Welt ist so sinnlos. Leben und leben lassen. Niemand sollte für seine Herkunft, Hautfarbe, Glauben oder sonst was verfolgt oder getötet werden. Dieser Hass in der Welt ist traurig. Aber auch ich will den Glauben an das Gute in den Menschen nicht aufgeben. Den die Liebe ist um einiges Stärker als der Hass. Danke für deinen tollen Beitrag!
#prayforpeace
Kathi says
Es ist immer wieder erschreckend, zu was Menschen fähig sind – anderen Menschen und sich selbst und unserer Welt gegenüber. Ich wünsch mir nur, dass wir irgendwann aufwachen und sehen: wir sind alle nur Menschen, wir sind alle gleich..
Dany says
Ich wünschte, es würden noch viel viel mehr Leute so denken, wie du es ge- und beschrieben hast!
Ein wirklich toller Text – obwohl es traurig ist, dass wir uns überhaupt mit all dem beschäftigen müssen. Genau wie Lisa schrieb: der Hass auf der Welt ist so sinnlos!