Wenn Firmenbosse in den Ruhestand gehen, sagen sie auf die Frage, was sie rückblickend anders machen würde, immer genau eine Sache: “Ich würde kleine Erfolge mehr feiern.” Oder: “Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Und sie sollten öfter fallen.” Nicht immer nach dem Nächsten streben, sondern zwischendurch innehalten und allen mehr auf die Schulter klopfen. Mehr Partys, mehr Wertschätzung. Mehr Hier und Jetzt.
Ich finde, davon kann man sich ziemlich viel abgucken. Die ersten Monate des Jahres habe ich unheimlich viel gearbeitet, um in meine Selbstständigkeit reinzukommen, habe mir kaum freie Abende oder Wochenenden erlaubt. Jeder Tag musste produktiv und nicht vor 23 Uhr enden. Im Juni habe ich festgestellt, wie ausgelaugt ich bin, auf so vielen Standbeinen zu stehen, und alles runtergefahren. Konnte gut damit leben, mehr Sommer zu haben, freie Abende und Wochenenden. Manchmal ist ein volles Glückskonto wichtiger als das, von dem die Miete abgeht.
Am Ende jedes Sommers tippe ich mit einer beruhigenden Schwere auf den Augenlidern, dass dies der beste Sommer meines Lebens war. Jedes Jahr. Bin jedes Mal wieder von dieser Aussage überzeugt. Freue mich schon auf nächstes Jahr, weil das Leben immer nur bergauf geht, und von Jahr zu Jahr besser wird, intensiver, befreiender und angekommener.
Ich habe dieses Jahr, diesen Sommer, eine Zufriedenheit entwickelt, die mir die letzten Jahre fern war. Das sieht man nicht zuletzt, wenn man Instagram durchscrollt, sondern vor allem sehe ich das, wenn ich in den Spiegel gucke. Ich habe mich verändert, und das ist sehr gut so. Freunde sagen mir das öfter und ich kann jedes einzelne Mal nicht anders, als ein dankbares Lächeln gar nicht erst unterdrücken zu wollen.
Ich hatte für diesen Sommer eigentlich gar keine Pläne. Also, zumindest fast: Ich wollte #1 meine Unabhängigkeit genießen, nach einem dunklen Winter #2 wieder mehr mit Freunden machen, und #3 einfach mal spontan sein. Das stand fest – und sonst nichts. Hielt mir alles offen, und nach dem Motto: Einfach mal ja sagen. Einfach mal machen. Und so war alles perfekt. Ich bin der Meinung, dass jedes Erlebnis, jeder Trip, jedes Aufeinander treffen mit Menschen uns stärkt, uns wachsen lässt, uns Aufgaben stellt – denn auf der Autobahn oder einer Reise können mehr Probleme auftreten, als wenn man das ganze Wochenende im Bett verbringt. Letzteres – hatte ich den Winter über zu ausgiebig zelebriert.
Zuallererst buchten wir im Frühling für Juli eine Woche Kos, Laura und ich. Keine Termine und leicht einen sitzen (quasi ;)) – unsere perfekte Vorstellung von Urlaub. Dann kamen im Juni zwei Festivals dazu: Ungefähr eine Woche vorher waren die Rock am Ring-Karten inklusive Unterkunft erst an Land gezogen wurden, beim Hurricane war es ähnlich. Alles klärte sich innerhalb von wenigen Sprachnachrichten. Ich tankte Linas Auto voll, kümmerte mich noch um Regenjacken und lud den perfekten Roadtrip Remix runter, sie besorgte Leuchtstäbe und eine Unterkunft – und schon waren wir wieder auf der Autobahn. Zwei perfekte, durchfeierte und heisere Wochenenden: Und das Wetter war uns letztlich sogar ziemlich egal. Perfekte Momente: Volbeat in knietiefem Matsch und Tom Odell – Magnetised vor der Blue Stage während die Sonne hinter den Wolken hervor bricht.
Am verregneten Hurricane Samstag surfte ich online nach weiteren Line-Ups – und völlig unbedarft wanderten noch Dockville und Lollapallooza Tickets in meinen Warenkorb. Habe ich da eigentlich Zeit? Bestimmt! Habe ich jemanden, der mitwill? Keine Ahnung, egal. Einfach mal machen. Zwei Monate lange Vorfreude ist manchmal sogar noch besser, als ein Festival selbst.
Aber eigentlich ging es gar nicht zwingend um die geplanten Urlaube und die Festivalkarten, die noch am Kühlschrank hingen: Sondern viel mehr um jeden einzelnen Tag, der zwischendurch mit Sonnenaufgang auf dem Balkon oder Tanzen im Sommerregen gefeiert wurde, jeden Moment, den ich mich mit den Frauen, die mir den Rücken stärken, durchs Planten und Blomen oder in den Stadtpark schob, jedes einzelne Lachen, jedes spontane: Ja, lass machen.
Ich kann nicht an zwei Händen abzählen, wie viele Tage ich an der Ostsee verbracht habe, entdeckte Kiel für mich und meine Liebe fürs Fahren gleich mit. Habe gelernt: Auch beim Autofahren muss man am Berg einen Gang zurückschalten, um wieder richtig durchtreten zu können. War in Düsseldorf, Köln und eine ganze Woche in der Heimat. Mitte September habe ich mehrere Tage Freibad Closing gespielt, da die Schließzeit des Stadtpark Bades als letztes offenes Freibad in Hamburg jeden Tag weiter rausgeschoben wurde.
Den fulminanten Abschluss bildete Rhodos – weil wir den eigentlichen Sommer bereits hinter uns hatten und keine innere Unruhe, aus jedem Tage das Maximum rauszuholen. Wir saßen auf dem Balkon und beobachteten den Regen, ließen uns durch wunderschöne Städte treiben und hatten dabei eine verdammt gute Zeit.
Das hier ist das Ende des Sommers. Ich habe mir einen Hoodie über mein Bikinioberteil gestreift und fröstele, während ich auf mein Flugzeug zurück in Richtung Realität warte. Bin traurig, wehmütig, als würde mir ein großer Abschied bevorstehen, was mir die Frage aufwirft, ob man wirklich lebt, wenn man sich nur von Sommer zu Sommer hangelt. Und die zufriedene Erkenntnis stellt sich direkt darauf wie ein wohliges Gefühl ein: Das tue ich gar nicht. Ich feiere auch alles andere. Aber das hier eben besonders.
Ich bin seit vier Uhr morgens wach und mein Kopf fühlt sich wie weiche Zuckerwatte an. Ich merke das Meer hinter meinen Augenlidern, sehe alle Erinnerungen, die ich in den letzten Monaten aufgesaugt habe und möchte in Tränen ausbrechen, um das Meer zu sehen und alle Erinnerungen wieder zu fühlen.
Meine Priorität im Leben hat sich innerhalb weniger Monate verschoben. Es ist nicht mehr nur ein gut gefülltes Konto. Viele Aufträge. Sondern vor allem eines: Zufriedenheit. Dieser Sommer hat mir gezeigt, dass manches Abenteuer nur eine kurze Entscheidung entfernt ist. Dieser Sommer hat forever young in mein Herz tätowiert.
Chamy says
Wunderschöner Text und ich finde mich da voll und ganz wieder! <3
Josi says
Luise, ein wirklich schön geschriebener Text! Ich war echt auch berührt von deinen Erlebnis-Erzählungen, obwohl ich alles nur durch deine Social Media Kanäle miterlebt habe ;) Ich finde deine Einstellung super, auch, weil ich sie mir seit kurzer Zeit selbst vornehme. Und ich finde, man sieht die deine innere Zufriedenheit wirklich immer mehr an. Danke für deine Motivation jeden Tag :)
Liebe Grüße, Josi
Stephie says
Wundervoller, berührender Text!
Melia Beli says
Wenn ich deinen Post so lese, fällt mir nur eins ein: Alles richtig gemacht! Man merkt förmlich, wie zwischen den Zeilen die Begeisterung und die Sehnsucht, aber zugleich Dankbarkeit, nach diesem Sommer, übersprudelt. Und weißt du, was das Schönste daran ist? Dass ich das Gefühl hatte, ein kleines Stückchen Sommer mitzuerleben und -fühlen, denn ich war leider nonstop mit Renovieren (ich werde niemals (!) ein Haus bauen) und mit dem Umzug beschäftigt, dass da leider ziemlich viel auf der Strecke blieb. Daher an dieser Stelle ein großes Merci für´s Teilhabenlassen!
Allerliebst
Melia Beli
Linda says
sososososososososoooooo gut liebe Luise ♥♥♥
Mara says
So ein schöner Post! Ich habe den Sommer zum größten Teil bei meiner Familie verbracht und das Landleben genossen. Grade den September fand ich wunderschön und habe mich über jeden zusätzlichen Sommertag einfach nur gefreut.
Und dein Blog hat sich im Sommer zu meinem liebsten entwickelt, weil du zeigst, dass jeder Moment wert ist, genossen zu werden.
Danke dafür und liebe Grüße! :)
Mara
Kristina says
Auch ich war sehr froh, dass du uns auf deine Reise durch den Sommer mitgenommen hast, denn dadurch konnten auch wir Leser uns an sehr schönen Momenten erfreuen. Gerade, wenn man selbst vielleicht nicht einen ganz so perfekten Sommer hatte, war das wirklich aufmunternd! Dein Strahlen steckt wirklich an, danke, liebe Luise! :)
Vollvertippt says
Inspirierend. Aber wieso lesen wir immer wieder nostalgische Geschichten eines perfekten Sommers? Geschichten die einen so wehmütig stimmen lassen. Geschichten von Meer, südländischen Mentalitäten, Eiscreme am Strand. Wieso nicht voller Vorfreude in den Winter starten, dunkle kalte Abende genießen und einfach gemütlich finden. Wieso nicht genau jetzt einen perfekten Winter beginnen?
Gemütliche Grüße
Marie Luise Ritter says
“dunkle kalte Abende genießen” :D “Perfekter Winter”.. OXYMORON!
ne, sowas wirst du hier nicht zu lesen bekommen.
okay, vielleicht doch, ich geb dem winter ne chance <3
Koko says
Liebe Luise, es ist so toll Deine Texte zu lesen. Diese Zufriedenheit möchte ich auch erreichen. Genau deshalb lese ich gern Deine Einträge um dem näher zu kommen. Mach bitte so weiter! Ich drück Dich unbekannterweise:) Koko
Steffi says
Wow, Luise, Wahnsinnstext. Finde mich darin so sehr wieder.
Und mittlerweile weiß ich ja, was du mit “leicht einen sitzen (quasi ;))” meinst.
Viele liebe Grüße aus Wien
Marina says
Dieser Text hat für ein prickelndes Gefühl im Herzen und ein sonniges Lächeln in meinem Gesicht gesorgt. Wundervoll geschrieben!
Johanna says
Liebe Luise,
wie immer ein wunderschöner und inspirierender Text. Ich bewundere deine Lebenseinstellung und deine Lebensfreude die du in den Tag legst!
Vielen Dank für die Texte und Gedanken die du anderen Menschen mit auf den Weg gibst.
Liebe Grüße aus München