Ich hatte kaum Wifi in den letzten zehn Tagen, was sicher auch ganz gut so war – ich habe meine kleinen Festival Momente in meinen Stories und auf meinen Fotos geteilt, und sonst weder was von dem, was andere Blogger gemacht haben noch dem, was in Deutschland von den Genervten dazu gesagt wurde, mitbekommen.
Letztes Jahr habe ich mich für einen kritischen Text über “Festival-Gehate” noch in andere Coachella Fotos reingeklebt (mal ehrlich, ich finde das immer noch super witzig) und gerufen: “Können wir uns nicht mal alle einfach ein bisschen entspannen?” – jetzt, aus der Perspektive von jemanden, der tatsächlich auf dem Coachella war, kann ich das nur unterstreichen und möchte heute einmal über das “how to” und die Pros und Contras schreiben, um mal mein Bild des Wochenendes zu vermitteln. Mein Festival Diary kommt dann zusammen mit einem LA Diary, vielen Fotos und dem Travel Video, sobald ich wieder in Hamburg bin.
HOW TO COACHELLA
Die ersten Tickets gehen Anfang Juni in den Sale, über den Newsletter kriegt man Bescheid, welche Uhrzeit man sich bereithalten soll. Dann heißt es schnell sein: Am besten sich vorher schon einen Account anlegen, das Ticket auswählen, wenn man dran ist, zack, fertig. Verschickt werden die Tickets frühestens im Februar. Trotzdem würde ich empfehlen, sofort wenn ihr Tickets gekauft habt, auch das Hotel zu buchen, denn die sind nie wieder so günstig wie ein Jahr vorher. Insgesamt eine sehr teure Angelegenheit, das sollte einem vorher natürlich bewusst sein.
WARUM MAN NICHT AUFS COACHELLA GEHEN SOLLTE
Nachdem manche Blogger, nachdem sie zwei Jahre kritiklos das “Chella” gefeiert haben, es jetzt wirklich doof finden und ihre Kritik auflisten, hier mal ein Einblick, warum man auf keinen Fall hingehen sollte.
Alkohol ist in der Öffentlichkeit in den USA verboten. Auf dem Coachella gibt es einzelne Bereiche, für die man sich ein ü21-Bändchen holen muss, und aus denen man den Alkohol auch nicht wieder mit rausnehmen darf.
Die Menschen feiern mehr sich und das Leben als die Musik. Was bedeutet, dass eigentlich alle um einen herum es nur halb so fühlen wie man selbst. Was aber auch bedeutet, dass man selbst fünf Minuten vor Beginn des Konzerts noch vor den Wellenbrecher schlüpfen und sich nach vorne kämpfen kann, und nicht wie bei einem Hurricane eine Stunde anstehen einplanen muss.
Es ist verdammt teuer. Es ist teurer als teuer. Irgendwann merkt man das gar nicht so, ich ertappte mich auch dabei, am dritten Tag die 7$ Pizza nach dem 12$ Pad Thai und der 9$ Limonade wirklich billig zu finden (wat), und der Ticketpreis, der mehr als doppelt so viel kostet wie ein deutsches Festival, hat es in sich, Unterkunft, Flug, Mietwagen … Weil ich hier irgendwo auch eine Verantwortung habe, finde ich es wichtig zu erwähnen, dass man von diesem Geld auch acht Wochen durch Thailand reisen kann (been there, done that) und dass es nicht ganz alltäglich ist, so viel Geld auf einem Wochenende zu lassen.
Wenn man campen will, ist das Coachella wahrscheinlich das schlechteste Festival überhaupt – tagsüber ist auf dem Campingplatz bei 30-40 Grad kein Fitzel Schatten, nachts geht es schon gegen die 10 Grad.
Es ist total überfüllt. Zumindest auf dem ersten Wochenende. Das erste Wochenende ist das, wo es ums sehen und gesehen werden geht, für das auch viel mehr Tickets verkauft werden, weil der Andrang größer ist, das zweite scheint entspannter zu sein.
Instagramer everywhere. Das, was das Festival ja erst so in das Gespräch bringt, weswegen sogar Zeitungen “German Girls in der kalifornischen Wüste” auf ihre Titelblätter druckten – jeder ab 200k aufwärts ist da. Macht Fotos, filmt sich beim lipsynchen, zelebriert die squad goals und das 47. Mal im eigenen Feed – na klar nervt das irgendwann. Einzeln ist das ganz erträglich, geballt auf ein Event als Bloggermekka etwas too much. Aber wie man an den Hashtags erkennen kann, wurden alle dazu eingeladen, machen das nicht, weil sie selbst gerne auf Festivals gehen. Theoretisch ist es doch so: Wir können nicht Leuten folgen, in großen Mengen, die ihre Outfits und oberflächliche Schnipsel ihres Lebens auf Instagram zeigen, und uns dann darüber beschweren, dass sie das zu ihrem Job machen und genau so – mit oberflächlichen Schnipseln auf solchen Veranstaltungen – ihr Geld verdienen. Klar feiern das alle, wenn alle hierher eingeladen werden. Man hat meistens weniger zu meckern, wenn man kein eigenes Geld dafür ausgibt. Tatsächlich ist es aber so: Solange man kein VIP Ticket hat und die Gegend ums Riesenrad meidet, kriegt man von den Influencern gar nichts mit, ich habe zwei-drei beim Fotos machen gespottet, sonst aber niemanden gesehen. Wenn einem Alkohol und der eigene Geldbeutel für ein Wochenende egal sind, man Lust auf Sonne und entspannte Menschen hat und noch ein bisschen social media detoxt, kann man Coachella also durchaus machen.
WARUM ICH IMMER WIEDER AUFS COACHELLA GEHEN WÜRDE
Als wir uns in den Mietwagen setzten und uns für drei Stunden Roadtrip nach Palm Springs wappneten, habe ich mich kurz gefragt, was wir hier eigentlich tun – wenn alle online haten, vergeht einem ein bisschen der Spaß daran, man fühlt sich in einer Defensive, so als müsse man verteidigen, warum man das hier macht. Dann habe ich gemerkt, wie sehr diese Gedanken Quatsch sind, dass ich mich freue, habe mein Internet ausgemacht und mich auf das Wochenende gefreut.
Ich wusste vorher wirklich nicht, worauf ich mich einlasse, ob alles wirklich so ist, wie man es auf Instagram vermutet, ob es langweilig wird, ich hatte gar keine Ahnung – und komme mit super vielen positiven Festival-Glücksgefühlen zurück. Vielleicht habe ich diese verklärte Sicht, wie man sie hat, wenn man über das vergangene Wochenende mit der eigenen Fernbeziehung spricht, daher nur so viel: Es war wirklich großartig.
Als ich am ersten Tag aus dem Bus stieg, war ich ganz überrascht: Hier liegt gar kein Sand! War hier nicht sonst Sand? Überall war feinster kurz gestutzter, aber flauschiger Rasen. Wir gingen durch fünf Sicherheitskontrollen, in denen die Security Leute so unfassbar fröhlich waren, klatschten mit jedem ab, verteilten Wasser, dass ich mir echt vorkam wie in einer anderen Welt. Die machen ihren Job bei 30 Grad gerne, jeder einzelne. Auch dass Wasser kostenlos war, hat mich überrascht, war bei 30 Grad aber richtig super: Wir hatten eine wiederbefüllbare Flasche mit und haben damit dann immer wieder die Limonade im Becher nachgefüllt.
Die Shuttle Routen waren genauestens ausgetüftelt, um jedes Hotel am schnellsten zum Gelände zu bringen, mein Bändchen war gelb, genauso wie die Beleuchtung über unserem Eingang, damit ich mich auch auf dem Rückweg zum Shuttle nachts garantiert nicht verlaufe, und generell: Ich habe noch nie so eine gute Organisation, so viele Mitarbeiter, so viele Info Points auf einem Festival gesehen. Ich war schon auf vielen Festivals, und habe von keinem gesagt “Wow, das war so krass gut organisiert” – von diesem schon.
Ich mochte das Gelände richtig gern, nicht nur wegen der Palmen, der bunten Deko, sondern auch wegen des schlauen Aufbaus und wie gut man sich zurechtfand. Man konnte sich zu jeder Zeit einfach dort, wo man gerade stand, auf den Rasen fallen lassen, den fleißigen Arbeitsbienen sei dank, die den ganzen Tag Müll aufsammelten. Ich schmeiße meinen Müll natürlich selbst weg, meistens waren die Helfer aber schneller. Für mich gehört Müll soweit das Auge reicht und ein schlammiger Boden sowie meine Füße in Gummistiefeln einfach nicht zu einem authentischen Festivalerlebnis, es gibt für mich nichts schöneres, als unter einer 30 Grad Sonne zu flanieren, über sauberes und trockenes Gras – ich bin die meiste Zeit sogar barfuß gelaufen. Ganz ehrlich, das und im Hintergrund Jack Garratt oder Oh Wonder oder Porter Robinson, das ist für mich pures Glück.
Wie teuer es war, mal außen vorgelassen, müssen Festivals genau das für mich sein: Eine andere Welt. Abschalten von jeder Wirklichkeit. Realitätsfern. Und das funktioniert natürlich noch besser, wenn man sich nicht Freitag ins Auto setzt und Montag zurück auf Arbeit geht, sondern wenn man dazu weit, weit weg ist. Ich weiß nicht, ob ich diesen Juni fürs nächste Jahr Tickets bekomme, aber falls ja, komme ich definitiv wieder. Am liebsten würde ich alle für zwei Wochen LA Urlaub einsacken und finde es schade, dass ich die meisten meiner Freunde gar nicht fürs Coachella begeistern könnte, einfach nur, weil sie aus Prinzip nicht hingehen würden. Warum ich trotzdem begeistert bin? Weil es das entspannteste, wärmste, gut gelaunteste und sauberste Festival ist, auf dem ich je war. Und ich immer und immer wieder hingehen würde.
Elena says
Danke für deinen ehrlichen Einblick! Ich finde es schön mal einen ausführlichen Erfahrungsbericht anstatt nur der Bilder vom Coachella zu sehen. Du hast auf jeden Fall die Liebe zur Musik und zum Konzertfeeling in mir geweckt!
Johanna says
Was für ein ehrlicher und inspiriender Blogpost! Deine Instagram Bilder zum Coachella sind alle wunderschön und zeigen auf nicht etwa ein mainstream Blogger, sondern ein glückliches, musikliebendes und tiefenentspanntes Festival Girl. Das und dein Fazit machen unglaubliche Lust auf ein eigenes Coachella Festival Erlebnis!
Liebe Grüße
Josi says
Liebe Luise,
ein schöner Post, und danke, dass du ihn schon so fix geschrieben hast! :-) Irgendwie lustig, wie unterschiedlich doch die Meinungen bzgl. der Sauberkeit auf Festivals sind. Ich habe in so einem besagten Hate-Post gelesen, dass das Coachella wenig authentisch wäre, weil es so sauber ist und Festivals ja “dreckig” sein müssen. Wo ich mich natürlich frage: wieso “müssen” sie das? Klar, sollte es einem egal sein, wenn die Schuhe mal dreckig werden, oder es halt mittendrin anfängt zu regnen und man währenddessen nass wird, weil man ja wegen der Musik da ist. Aber wenn im Hintergrund sich Leute so viel Mühe geben, dass es einfach reibungslos läuft, damit eine schöne Umgebung & Athmosphäre geschaffen werden kann, damit sich die Leute wohlfühlen und die Menschen, die dort arbeiten es offenbar auch ernst nehmen und ihren Job gut (vor allem gut gelaunt) machen, so wie du es beschrieben hast, dann geht das auf das ganze Festival Feeling über. Wieso bitte, sollte das ein Grund sein, herumzumeckern? Sowas verstehe ich absolut nicht. Man kann vom “Influencer-Coachella-Go-See” halten was man will, ich bin da der gleichen Meinung wie du, dass Festivalerinnerungen doch vor allem etwas Besonderes bleiben, wenn sie in ihrer “eigenen Welt” stattfinden (gibt da ja noch einige andere Festivals in Amerika die so sind). Und deine Eindrücke haben gezeigt, dass es die in Palm Springs zum Coachella auf jeden Fall gibt! So, der Kommentar ist jetzt etwas länger geworden als geplant, aber wollte damit nur zeigen, dass du dich in keinster Weise rechtfertigen musst auf dem Coachella gewesen zu sein und es auch noch geil zu finden! Hätte ich das Geld, wäre ich auch schon längst hingeflogen :D Liebe Grüße, Josi
Marie Luise Ritter says
Verstehe auch nicht, warum ein Festival nur echt ist, wenn man in Bergen von Papptellern versinkt – toller Kommentar!
Anja says
Sehr erfrischender Artikel, ich kann dieses Gehate einfach nicht nachvollziehen. Warum kann man nicht einfach anderen etwas gönnen und wenn man das nicht sehen will – wie wäre es damit, einfach den Leuten nicht mehr zu folgen, heieiei :)
Schön, dass du so eine tolle Zeit hattest, ich würde definitiv auch hin fahren. Und Oh Wonder habe ich erst dank dir entdeckt, danke dafür :)
Melly says
Hach. Das war schön zu lesen. Weder Gehype noch Gehate. Kritisch, aber sachlich, nachvollziehbar und trotzdem emotional.
Hast du schön geschrieben und zusammengefasst und ich freue mich für dich, dass du Spaß hattest und es genießen konntest.
Marie Luise Ritter says
danke melly <3
Anna says
Das heißt, es gibt im nächsten Jahr eine Wiederholung? :)
Marie Luise Ritter says
Mal schauen … :)
Dunja says
Danke für diesen ersten Bericht! :) wenn man nur ausgewählten Bloggern folgt, bekommt man zwar mit, dass es hate gibt aber muss sich nicht direkt damit auseinander setzen.. mir gefallen da deine positiven Vibes viel besser ! Freu mich auf das Video!:)
Janina says
Danke! Ganz ehrlich! Vielen Dank für diesen Post! Ich hab das Coachella immer geliebt, schon seid ich ungefähr 19 war (jetzt 29) und das erste mal Bilder gesehen habe. Diese Traumwelt, diese unglaubliche Fröhlichkeit! Aber seid ca 4 Jahren fahren immer wieder Blogger hin und während ich das am Anfang noch toll fand und jeden Post, jedes Bild aufgesaugt habe, wurde es von Jahr zu Jahr immer furchtbarer. ‘Nur Blogger da’ ‘Da gehts doch nur um oberflächliches hauptsache Gesehen werden’ ‘vollkommen überteuert’ Von Jahr zu Jahr habe ich dieses Festival immer negativer gesehen, wollte gar nicht mehr hin. Hab dann letztes Jahr das Parookaville gefunden und meinen Frieden geschlossen. Coachella abgehackt! Dann hab ich gelesen das du hinfährst, selbstfinanziert nicht eingeladen und ich dachte, mmh mal schauen wie sie das danach sieht. Und jetzt dieser Post. Ich fahr dahin, aber sowas von :) Wünsche euch einen guten Heimflug, genieß noch die Sonne. :)
Marie Luise Ritter says
ach, wie cool! berichte dann :)
Rebecca says
Hach Luise,
ich lass mich ja gern von dir zu Festivals verleiten. Nach deinem SMS Post vom letzten Jahr hab ich für dieses Jahr Karten gekauft.
Nun hadere ich mit mir ob ich das hier nicht auch mal ausprobieren sollte :P
Freut mich, das du eine wunderbare Zeit hattest!
Liebe Grüße!
kati says
endlich mal ein authentischer Post, nicht nur Gemecker oder großer Hype!:) auch deine Instagrambilder und Story waren sehr authentisch, nicht zu überladen, man hat wirklich gemerkt, wie du die zeit genossen hast :)
liebst kati
LG says
Liebe Luise,
danke für deinen ehrlichen und tollen Post.
Für mich ist es seit Jahren ein großer Traum aufs Coachelle zu gehen. Ich war noch nie dort und doch
glaube ich das ich es genau so sehen würde wie du. Klar es ist schweineteuer aber man darf das Glück halt manchmal
nicht in Geld umrechnen.
Ich war im April 2010 in LA und besonders um diese Jahreszeit vermisse ich Kalifornien schon sehr.
Leider sind meine Freunde nicht sehr konzertbegeistert (Ich persönlich baller allderdings jährlich schon
mal 500,- € für Konzertkarten raus) und mein Freund wäre das alles zu viel Kommerz. Er würde warscheinlich
Angst haben sich an der “Influencer” Krankheit anzustecken :D
Ich bin SO gespannt auf dein weiteren Bericht und besonders auf ein Video!
Du hattest eine tolle Zeit, sei stolz drauf und lass dir das nicht schlecht reden.
Liebe Grüße
LG
Tanja says
Schöner Artikel, der eine ganz angenehme Atmosphäre vermittelt <3
Melissa says
Liebe Luise,
mir gefällt der Post wirklich sehr gut. Ich selbst habe den Coachellahype nur so nebenbei mitbekommen, das Festival habe ich vor Jahren mal durch ein Instagramfoto von Vanessa Hudgens kennengelernt. Dass dort jetzt viele Blogger hinfahren – sollen wir sie doch machen lassen. Tut ja keinem weh. :-)
Außerdem finde ich es schön, dass du erwähnst wie freundlich die Leute alle waren. Das ist meiner Meinung nach der Unterschied zwischen Deutschland und Amerika: Die Freundlichkeit. Ich war 1 Jahr in Virginia 2012 und ich habe die freundlichsten Menschen in meinem Leben getroffen. Klar spinnen sie auch irgendwo (sieht man ja am Wahlergebnis), aber ihre Freundlichkeit, die für mich eben nicht oberflächlich ist, empfinde ich als sehr schön. Und ja! Events sind dort einfach so viel besser organisiert als in Deutschland. Da spielen die Amis in einer ganz anderen Liga.
Alles Liebe,
Melissa von http://www.lovingmel.net