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Alles im Leben ist das, was man selbst daraus macht

16 Apr 2018

Mitte April. Letztes Jahr habe ich diesen Zeitraum auf dem Coachella verbracht, 10.-18.4.2017. Acht Tage durch Kalifornien. Jetzt sitze ich hier, irgendwo auf dem Dorf, in einem relativ festlichen Kleid, bereit für einen wichtigen Familiengeburtstag. Und endlich fühle ich, was alle meinen, die sich über dieses Festival aufregen. Meine Situation könnte gerade nicht unterschiedlicher von dem Leben sein dieser Menschen, die in kurzen Klamotten, braun gebrannt, mit Kopfschmuck und ordentlich einem sitzen durch die 35 Grad warme Hitze der Wüste spazieren.

Ich sitze auf der Bettkante, scrolle die verschiedenen Coachella Stories durch und mich durchfährt eine ganz, ganz starke Traurigkeit. Letztes Jahr hatte ich lange auf das Event hingespart, dieses Jahr habe ich die Tickets für Wochenende 2 kurzfristig verkauft. Eminem und Beyonce sind zwar “ganz cool”, aber nichts wovon ich ein richtiger Herzblut-Fan bin, und konnten mich deswegen nicht verleiten, die 3000+ Euro dafür auszugeben. Jetzt findet Wochenende 1 statt. In meinem Handy sieht alles so leicht aus. Jeder scheint da zu sein. Jeder scheint es sich leisten zu können oder findet eine Marke, die spontan paar Tickets springen lässt. Der Flug, mal eben so, Hotel, kein Problem, Leichtigkeit. Als würde die Welt nichts kosten. Oberflächlich, Überfluss. Ja ich verstehe, worüber sich alle aufregen. Das hatte ich vor meiner eigenen Coachella-Erfahrung gar nicht so richtig wahrgenommen, aber mit diesem Zeitunterschied, mit dem Temperaturunterschied, ja aus einer ganz anderen Welt heraus gesehen, sehen diese ganzen Berichte, Snaps und Videos richtig seltsam aus. Wie … ausgedacht. Lächerlich irgendwie.

Mich durchfährt eine ganz starke Traurigkeit, und die kann ich noch nicht mal genau erklären. Ich fühle keinen Neid, der oft der Grund für solche Antipathien ist, dafür bin ich viel zu sehr bei mir selbst. Ich gönne Menschen ihr Glück, immer. Ich würde auch niemandem in den Mund legen, dass er nicht dankbar für all diese Erlebnisse ist. Nur weil es für mich nach einer zelebrierten Selbstverständlichkeit aussieht, heißt das lange nicht, dass dieser Mensch in diesem Moment nicht eine große Dankbarkeit für die Möglichkeiten seines Lebens spürt. Und letztendlich bin ich ja selbst schuld, was ich mir anschaue. Meine Traurigkeit ist eher Wehmut, weil ich die Zeit so gerne dahin zurückdrehen möchte. Oder FOMO, Fear of missing out, weil ich jetzt gerade auch gerne dort wäre. Bei Festivals in Deutschland habe ich das nie so stark, weil es auch nicht so aufwendig wär, doch noch spontan hinzukommen, weil es weniger special ist, weil ich weniger davon geballt auf Instagram zu sehen bekomme. Aber: Selbst Schuld, ich habe die Tickets ja verkauft. Ich habe mein Leben ja selbst in der Hand und das, was ich aus meinen Möglichkeiten mache. Nächstes Jahr vielleicht wieder. Als ich mir diesen Moment vorstellen, an dem ich nächstes Jahr eventuell wieder durch die Eingangskontrolle am Riesenrad komme, meinen Hoodie um die Hüfte enger ziehe, meine Füße in Sneakers den Rasen betreten und ich wieder dort sein darf, durchfährt mich so viel warme Vorfreude und Dankbarkeit, dass meine Augen ein bisschen nass werden.

Und dann ist es völlig okay, dass ich gerade nicht dort bin, weil es gerade wichtiger ist, dass ich hier bin, und alles noch kommen kann. Das Leben liegt vor mir.

Und weil ich das Jetzt habe, und daraus das beste machen kann.

 

Auf Instagram lese ich später am Tag vermehrt Kritik am Coachella Festival, immer gepaart mit dem alten Schuh, wie Fake Instagram doch inzwischen ist. Dass es niemandem mehr um die Musik gehe, es viel zu voll ist, alles sich um die besten getunten Bodys und die besten Kooperationspartner dreht. Menschen die dort sind, dort wo ich gerne wäre, aber kein gutes Haar an ihrem Erlebnis lassen. Wenn andere das, was sie haben, und was man selbst gerne hätte, scheinbar nicht zu schätzen wissen, macht das erst einmal bisschen verständnislos. Ich versuche zu analysieren. So sehr ich in der Theorie begreife, was gemeint ist, so wenig verstehe ich es. Denn: Wenn ich etwas sehe, was mir nicht gefällt, sehe ich woanders hin. Wenn in jeder Richtung etwas zu sehen ist, was mir nicht gefällt, dann befinde ich mich eventuell am für mich falschen Ort.

Wir betrachten Dinge immer aus dem Blickwinkel, den wir gerade haben. Sind wir unsicher mit unserem Aussehen, machen wir gar nichts anderes, als das Aussehen anderer Leute zu inspizieren. Fehlt es uns an Selbstbewusstsein und innerer Ruhe, nehmen wir auch alles in unserer Umgebung ganz anders wahr. Ich muss zugeben, dass ich zu meinem eigenen Körper ein gesundes “Egal-Gefühl” entwickelt habe, und deswegen mir auch das Aussehen von allen anderen egal ist. Damit meine ich rein optische Dinge wie Maße oder das Entsprechen eines Schönheitsideal. Ein herzliches Lächeln, eine besondere Ausstrahlung fallen mir natürlich positiv auf. Alles ändert sich, wenn man die eigenen Werte ändert und begreift, was im Leben wirklich wichtig ist. Ich habe letztes Jahr keinen Blick darauf verschwendet, ob andere Mädels dünner, schlanker, schöner, kleiner, süßer (whatever) sind als ich. Und: In meinem “Dunstkreis” finden solche Dinge gar nicht statt. Konkurrenzkampf um die schönsten Outfits oder den dünnsten Body. Ich kenne nur Menschen, die wegen der Musik auf Festivals gehen.

Alles im Leben ist das, was man selbst daraus macht. Wenn einem das, was man sieht, nicht gefällt, muss man seinen Dunstkreis ändern. Ich habe den Spaß gesehen, den alle am Verkleiden hatten. Ich habe diese andere Welt genossen, die ich genauso liebe, wie in Gummistiefeln durchs Hurricane zu waten. Ich habe mich nicht darüber aufgeregt, dass das Festival sehr voll ist. Ich habe mir eine leere Ecke in der Sonne gesucht, mich darüber gefreut, dass man hier einfach auf dem Boden sitzen kann (als Hurricane-Besucher etwas sehr besonderes) und mich durch das Festivalessen geschlemmt. Immer wieder: Alles im Leben ist das, was man selbst daraus macht. Wir haben die Verantwortung.

Wenn es mir um die Musik geht, dann ist es völlig egal, worum es den anderen geht.

Dass ich dieses Jahr nicht da bin, weil ich meinem Prinzip treu geblieben bin, nur auf Festivals mit guter (meinem Geschmack entsprechend) Musik zu gehen, ist ja auch meine eigene “Schuld”. Ich habe das Line-Up im Januar gesehen, zu 90% Unbekannt oder Hip Hop, und für mich entschieden, dass ich fern bleibe. Alles im Leben erschaffen wir uns selbst. Meine Erinnerungen an letztes Jahr sind geprägt von schönen und inspirierenden Menschen, guter Musik, einer fröhlichen Grundstimmung, der besten Begleitung. Ultralife und Green Light auf Repeat. So viel Liebe, die ich gefühlt habe – weil genau das mein Blickwinkel ist. Und weil kein Tag perfekt ist, aber eben immer wieder: Alles im Leben das ist, was man selbst daraus macht.

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The Coachella Diary

by Marie Luise Ritter / 2 Comments [addtoany]

Comments

  1. Maxi Koehler says

    17 Apr 2018 at 09:21

    Liebe Luise,
    vielen Dank für deinen tollen Beitrag zu dem Thema. Ich stimme dir absolut zu, dass es vor allem darum geht was man selbst aus einem Ereignis wie Coachella macht. Ich habe mit Vorfreude auf das erste Coachella-Wochenende in meiner Instagram-Timeline hingefiebert, weil mich die Bilder in Häkeltops und Boho-Kopfschmuck inspirieren und ein Stück weit auch glücklich machen. Aber wie alles auf Instagram sollte man das nicht allzu ernst nehmen, und wie jedes Festival ist auch dieses ein Stück “Urlaub” vom richtigen Leben. Ich danke Dir für deinen tollen und reflektierten Beitrag, ich glaube er war in dieser Debatte gerade wirklich notwendig. Du bist sehr inspirirend und deine gute Laune in deinen Stories ist sehr ansteckend. Ich wünsche Dir einen wundervollen Tag!

    Liebe Grüsse,
    Maxi

    Antworten
  2. Anni Pastel says

    18 Apr 2018 at 21:26

    Liebe Luise, ein wirklich toll geschriebener Post.
    Ich muss ehrlich zugeben, dass ich dieses Jahr ziemlich genervt war von den Posts und Beiträgen zu Coachella. Jeder schimpft über die Scheinwelt in seinen Stories – und postet am Abend ein perfektes, wunderschönes Foto von sich. Jeder schimpft, weil es nicht um die Musik ginge, ist aber auch nur da,.weil es eben.umsonst war.
    Das macht mich wütend und ja vielleicht sogar ein bisschen neidisch, weil ich gerne dort gewesen wäre und auch perfekte Bilder würde haben wollen.

    Liebe Grüße,
    Anni

    Antworten

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