Ich bin 1,79 laut Personalausweis. Ich dachte immer, ich sei 1,78. Nach letzter Messung bin ich vielleicht aber auch 1,80. Mit den Schuhen auf diesem Foto auch gerne mal 1,92. Kurz: Ich bin ein großer Mensch. Schon immer, zumindest aber seit meinem 12. Lebensjahr. In dem Alter war ich nämlich ausgewachsen.
Als meine Mama mich mal in meiner Jugend wegen meiner Skoliose zum Orthopäden schleppte, stellte der Haltungsprobleme fest. Frau Ritter, ihre Tochter läuft mit eingezogenen Schultern und hängendem Kopf. Was damals auf meine Rückenkrankheit geschoben wurde, lag eher daran, dass ich mich versuchte kleiner zu machen, als ich bin. Ich fand mich zu viel von allem, zu groß und zu auffällig. Ich wollte nicht auffallen, ich wollte nicht herausragen, ich wollte nicht groß sein – ich wollte so sein wie alle anderen. In der Masse verschwinden. Unauffällig abtauchen können.
Als Korrektur meiner Haltungsprobleme wurde mir ab der fünften Klasse schwimmen verordnet, und ich wurde sogar ziemlich gut darin. Wöchentlich zog ich in Wettkämpfen und im Verein meine Bahnen und liebte das Gefühl, meinen großen Körper schnell durchs Wasser zu schälen, immer mehr Wassermassen mit meinen Armen zu verdrängen, überhaupt so leicht zu sein. Ich begann mich, vor allem im Wasser, unglaublich wohl zu fühlen. Weil es hier von Vorteil war, dass ich diese Größe hatte. Weil ich hier so schwerelos war.
AUF AUGENHÖHE
Alles war gut. Der durchschnittliche deutsche Mann ist 1.80, die durchschnittliche deutsche Frau ist 1.66. Ginge es nach dem Durchschnitt, bin ich so groß wie ein Mann. Dann kamen meine ersten Dates.
Wenn man sich die typischen Hochzeitsbilder auf Pinterest anschaut, sieht man da einen Mann, der größer ist als die Frau in hohen Schuhen. Ein schönes, harmonisches Bild. Dass ich nie so abgeben würde. Nicht einmal barfuß. Damit habe ich viel gehadert. Tatsächlich war ich in meinen Beziehungen der letzten 12 Jahre eigentlich immer gleich groß wie meine Partner, in Schuhen größer – es gab niemanden, der mich je groß überragt hätte. Habe mich, mit dem einen mehr, mit dem anderen weniger, auch immer mal wieder wie ein Riesenbaby gefühlt, ein bisschen zu viel von allem. Habe aufgehört hohe Schuhe zu tragen. Mich angepasst. Gehadert eben.
Bis ich irgendwann mal vor dem Spiegel stand, meine Overknees anzog und mich freute, wie gut sie an meinen langen Beinen aussahen. Bis ich auf Konzerten bemerkte, wie viel einfacher mein Leben ist. Bis ich meine Lampe anbohrte oder bei Umzügen wirklich hilfreich sein konnte. Weil mit Größe meist auch eine gewisse Stärke einhergeht. Und die habe ich.
Bis ich bemerkte, dass ich oft erwachsener und gleichwertiger behandelt werde. Es einfacher habe, meiner Stimme in einer Gruppe Gehör zu verschaffen. Bis ich anfing, diese Präsenz, die mit dieser Größe einhergeht, zu erkennen – und zu schätzen zu wissen. Einfach mal die Vorteile zu sehen, statt das, was ich nicht habe.
Inzwischen würde ich keinen Zentimeter abgeben wollen – denn diese 1,80 machen mich aus. Ich habe sie ziemlich lieben gelernt. Wenn irgendjemand im Club ein Selfie macht, knicke ich immer noch automatisch meine Beine ein bisschen ein. Damit wir im Foto alle auf einer Höhe sind. Und dann stelle ich mich wieder auf, straffe meine Schultern und denke keine Sekunde über die Situation nach. Weil es für mich jetzt ganz natürlich ist. Und schön. Fühle mich schwerelos. Auch außerhalb von Wasser.
Jasmin says
Liebe Luise, du sprichst mir so aus der Seele!
Ich bin 1,78cm groß und seit ich 14 bin ausgewachsen. Früher habe ich mich auch immer kleiner gemacht- die Schultern und den Kopf eingezogen, weil ich nicht größer als alle Mädchen und die Hälfte der Jungs sein wollte. Hab auch auf Fotos die Knie eingeknickt und kam mir immer wie der Elefant im Porzellanladen vor. Zu auffällig, zu massig. Aber heute sehe ich die positiven Seiten. Auf Konzerten muss ich mich nicht auf Zehenspitzen stellen und Maxikleider sehen an mir toll aus. Tatsächlich vergesse ich mittlerweile manchmal, dass ich größer als die Durchschnittsfrau bin. Ich werde erst dran erinnert, wenn ich ne neue Jeans brauche, die in Länge 34 nicht überall zu finden ist, oder bei Tinder die Sprache auf die Größe kommt, die ja witzigerweise 90% in der Beschreibung stehen haben. Ich auch, übrigens. Warum das so ist, frage ich mich manchmal selbst. Wie sehr man sich darüber definiert und wie wichtig es doch zu sein scheint.
Ganz liebe Grüße
Jasmin
Luise says
Hallo Luise, ich bin auch 1,80m groß und erst 12 Jahre alt . Meine Eltern sind auch so groß und ich bin immer einen Kopf größer als meine Klassenkameraden . Am Anfang war es schwer weil mir jeden Tag gesagt wurde wie groß ich bin. Größer als die Lehrer ! Jetzt komme ich in die 7.Klasse und nehme es langsam als normal an. Es gibt auch viele Vorteile !😊Es ist schön Mal von jemanden zu hören der auch so groß ist 😉.LG Luise
( ja ich heiße auch Luise 😂)
Christina says
Liebe Luise,
Ich bin 1,83m und ich fand das immer ganz furchtbar. Schon als Kind älter geschätzt zu werden, überall herauszuragen oder im Weg zu stehen. Auf Gruppenfotos hinten versteckt werden etc. Meine Haltung war immer: Kopf und Schultern senken und auch den Move bei Fotos mit Freunden in die Knie zu gehen, kenne ich zu gut.
Und wenn ich mich darüber beschwert habe, kam immer der gleiche Spruch: “Models sind doch auch so groß und die werden dafür bewundert.” – Ja, klar. ICH bin aber (Überraschung!) KEIN Model und ich habe nicht wirklich Lust auf die Aufmerksamkeit, die mir allein meine Größe beschert.
Mittlerweile find ich’s ok. Highheels trage ich nie, kann mangels Training auch nicht darin laufen. Was die Männer betrifft: Besonders im Job habe ich die Erfahrung gemacht, dass kleine Männern oft glauben sich mir gegenüber in den Vordergrund stellen zu müssen. Aber da steh ich drüber ;-)
Liebe Grüße,
Christina
Elena says
Ich bin 1,78 m und weiss genau wovon du sprichst :)
Manchmal beneide ich meine kleinen, zarten 1,60-Freundinnen, die meistens so elfengleich aussehen, bei denen jeder Mann größer ist und denen teilweise selbst eine 34 zu groß ist. Gleichzeitig bin ich dann auch wieder so froh, ernster genommen zu werden, bei Konzerten nicht immer nur Hinterköpfe zu sehen und mehr essen zu können, weil sich alles besser verteilt :D.
Mich nervt auch, dass es von Männern immer wieder zum Thema gemacht wird. Witzigerweise meistens von Männern die gleich groß oder sogar größer sind. Ich hatte auch schon ein paar Mal etwas mit Männern die kleiner waren. Weil Männlichkeit sich für mich nicht durch Größe definiert. Wenn jemand ein selbstsicheres, respektvolles Auftreten hat, sind mir die paar Zentimeter so egal.
Marie Luise Ritter says
Jedes Wort, so wahr!
Lina says
Hallo liebe Elena, hallo liebe Luise, bei der Hosenlänge musste ich ein wenig schmunzeln, denn ich bin nur 1,58 m groß und bei mir sind alle Hosen zu lang. Erst hat meine Mama immer alle Hosen gekürzt, mittlerweile mache ich das selbst. Alles ist einfach an Klamotte immer zu viel, wenn man so lütt ist. Hosen sind zu lang und bei Rocklängen wird Mini zu Midi, Midi zu Maxi und Maxi zum Zelt. Von den zahlreichen anprobierten Oberteilen mit flattrig-leer gebliebenem Dekollté ganz zu schweigen. Das kann schon manchmal echt frustrierend sein. Was ich sagen will: Klein(er) sein hat auch nicht unbedingt nur Vorteile. (Stichwort: Konzert (Innenraum? Nein, danke.)) Aber wir sind ja zum Glück alle unterschiedlich, haben alle unser Päckchen zu tragen, sind damit nicht allein und das ist auch gut so. :)
Laura says
Liebe Luise,
ich möchte dir für den Beitrag und dein Video danken! Ich selbst bin so um die 1,84m und obwohl ich eigentlich ganz selbstbewusst bin, hadere ich von Zeit zu Zeit mit meiner Größe.
Eigentlich gefalle ich mir so wie ich bin ganz gut, aber Blicke oder das dauernde darauf aufmerksam machen der Umwelt setzen einem manchmal schon etwas zu. Deshalb habe ich mich total gefreut, dass du deine Einstellung und Sichtweise mit uns teilst! Vielen Dank :)
Ab heute werde ich dann noch etwas aufrechter durch die Welt gehen…
Liebe Grüße
Laura
Marie Luise Ritter says
Ja ich denke mir auch immer bei solchen Sprüchen “Ach was echt, ich bin groß, danke, noch nicht gemerkt” – aber es ist Teil des Smalltalks, das Bewusste einfach auszusprechen, genauso wie “schönes Wetter, oder” :)
Melanie says
So krass, i h bin 162cm und kann mich in so eine große Welt nur schwer reinversetzen. Wenn Mal eine Frau kleiner ist als ich, fühle ich mich plötzlich immer irgendwie trampelig, ganz komisch. Aber damit werde ich auch noch lernen umzugehen. Und was du sagst mit Gehör verschaffen etc..zu mir hat man immer gesagt, ach Guck da kommt Bambi. Immer liebevoll gemeint, bin großer Disney Fan und hab große Runde Augen, aber manchmal will man eben auch lieber Pocahontas sein
Alles Liebe,
Melli
Marie Luise Ritter says
Ganz genau dieses “trampelige” Gefühl hat man als größerer Mensch/Frau sehr oft, dann kannst du es dir ungefähr vorstellen :)
Natascha says
Liebe Luise,
es ist super spannend das Ganze mal aus einer anderen Perspektive zu hören. Ich bin nämlich mit meinen 26 Jahren gerade mal 1,54 m :D das ist ganz schön klein. Was aber noch viel spannender ist, wie viel Vorteil du mittlerweile in deiner Größe siehst. Auf diesem Weg bin ich noch, ich habe nämlich bisher nur zwei Vorteile entdeckt: mehr Beinfreiheit und jeder Mann ist größer als ich :D Ich werde auch aufgrund meiner Größe und meiner nicht ganz so extrovertierten Art nicht selten für 19 oder Anfang 20 gehalten. Ein bisschen stört mich das noch, aber daran arbeite ich.
Jedenfalls ein wirklich sehr interessanter Beitrag, bei dem ich mir beim Lesen des Titels noch nicht dachte, dass ich mir davon was mitnehmen kann :D
Liebe Grüße :)
Jessica says
Liebe Luise,
Ich habe mich in deinem Text selbst wieder gefunden. Bin zwar nur 176cm aber ich war irgendwie auch immer größer als die meisten. Das hat auch bei mir zu eingezogenen Schultern und krummem Rücken geführt, ein Problem , mit dem ich immer noch Kämpfe.Auch ich habe schwimmen als Mädchen begonnen und lieben gelernt und Fühle mich im Wasser auch immer noch so frei wie sonst bei keinem Sport! Danke fürs Teilen!
Valentina says
Unsere Größe lieben gelernt. Auf den Punkt gebracht, aber doch so war, liebe Luise!
Mit 1.83 cm habe ich ich ebenfalls eine Weile gebraucht, um zu realiseren, welche Möglichkeiten mir mit dieser Körpergröße gegeben wurden. Und heute würde ich keinen dieser Zentimeter mehr hergeben! Also ein Hoch auf die Großen, die während der Konzerte über die anderen hinweg ohne Zehenspitzen die Bühne sehen können!:)
Lea says
hehe auch ich habe mich in deinem Text wieder gefunden. Nur der Standard-Kommentar “Du bist so groß. Da spielst du doch bestimmt Basketball???” – “Äh, nöö!!”, den vermisse ich ;D find ich gut, dass hier noch mehr Große unterwegs sind <3 ich grüß dich lieb.
Helena says
Liebe Luise,
Bin 1,82m groß und habe im Alter von drei Jahren mit Ballett angefangen und dementsprechend nie Haltungsprobleme gehabt :)
Meines Erachtens hat die Größe nur Vorteile: im Supermarkt kommt man auch alleine an die Waren auf dem obersten Regalbrett und größere Männer habe ich bis jetzt auch immer ohne Probleme gefunden. Mein Exfreund war sogar 2,02m…ich weiß nicht, wer von uns beiden glücklicher war: ich, dass ich problemlos hohe Schuhe anziehen konnte, oder er, weil er sich nicht ständig zum Küssen runterbeugen musste ;)
Kate says
Liebe Luise,
was für ein toller Beitrag! Du schreibst immer so unfassbar schön.
Ich kann deine Gefühle sehr gut nachvollziehen – nur dass es bei mir genau anders herum ist. Ich bin 1,58 Meter und damit immer zu klein, für alles. Das hat mich früher auch sehr geplagt. Ich bin noch dazu eher zierlich, war es früher noch mehr, und wirkte dadurch viel jünger, als ich eigentlich war. Ich wirke immer noch jünger, aber mittlerweile macht mir das nichts mehr aus. Als gerade 20 gewordene, war es da schon eher eine Tragödie, wenn man für Sekt nach dem Ausweis gefragt wird.
Ich bin darüber wie du hinweg gekommen. Mittlerweile akzeptiere ich meine Größe einfach – ich kann ja sowieso nichts daran ändern – und versuche auch, die Vorteile darin zu sehen.
Vielen Dank für diesen Beitrag! Er ist wirklich toll und wird bestimmt vielen Mut machen.
Liebste Grüße, Kate
Anna says
Ich finde den Beitrag total spannend, ich selbst bin 1,83 groß, und leider immer noch an dem Punkt wo ich mich oft zu groß und zu Trampelig fühle, dass ich ungeschickt bin und oft irgendwo gegen stoße macht es nicht einfacher. Gleichzeitig fällt mir immer wieder auf wie sehr sich das mit dem Umfeld unterscheidet, in meiner Familie bin ich die kleinste,meine Eltern sind größer als ich, Meine drei Brüder ebenfalls mein Partner ist mit 1,92 ebenfalls ein gutes Stück größer, zu Hause habe ich diese Gefühle nie, dort fühlt sich wohl eher die Freundin meines zwei Meter großen Bruder diskriminiert, nimmt es aber mit Humor. Sie ist 1,54m groß. Die Küche in unserem Elternhaus hat 1.07m Arbeitshöhe, an die Hängeschränke kommt sie nicht dran und auf familienfotos muss sie auf einer Kiste stehen…. oft macht das Verhältnis den Unterschied.
Carolin says
Was für ein wunderschöner Text! Ich habe auch eine Skoliose und bin zudem sehr klein. Nur knapp 1,55m oder so. Manchmal wäre ich gerne größer, denn ich finde einfach, als kleiner Mensch wird man nie so ganz ernst genommen.
Catharina says
Liebe Luise,
Woooow. Ich hätte nie gedacht, dass du so groß bist. Genau so groß wie ich. Während ich deinen Post gelesen habe, habe ich mich einfach immer wieder dabei erwischt, wie ich mich, in dem was Du schreibst, selbst erkenne.
Auch ich ziehe einfach die positiven Dinge an meiner Göße. Freue mich, wenn ich merke, dass groß sein manchmal auch ein ziemlicher Vorteil sein kann & ich mir nicht für alles eine Leiter holen muss.
Den Traum vom größeren Mann habe ich aufgegeben. Vielleicht kommt ja irgendwann einer. Wenn jemand kommt, der kleiner ist, dann ist das halt so.
Hohe Schuhe standen lange Zeit nur in meinem Schrank. Mittlerweile trage ich sie gerne.
Du bist einfach so inspirierend. Ein richtiges Vorbild!
Mach weiter so!
Grit Kunzmann says
Ich bin 1,81 m und 53 Jahre alt. Erst beim älter werden habe ich langsam gelernt, meine Körpergröße zu akzeptieren. Mein Mann ist auch 1,81 m und wir begegnen uns im wahrsten Sinne des Wortes AUF AUGENHÖHE! Die schlechte Körperhaltung ist mir aus meiner Jugend leider geblieben. ( mein Vater hat mich früher immer geärgert und meinte, ich sollte wohl ober rum wachsen und hätte Affenarme.)
Nun ja, jetzt bin ich 53 und Oma. Bin gesund und glücklich. Da ist es doch egal, ob man 1.66 m ist oder, wie ich , 1.81m
Grit
Phillip says
Hey,
ich bin zwar ein Junge.
Wollte aber trotzdem etwas dazu schreiben.
Ich bin selbst 196cm groß und liebe es so groß zu sein.
Die Tatsache, dass viele große Mädchen ihre Größe nicht lieben und stolz darauf sein können, tut mir in der Seele weh.(wirklich)
Dabei sind große Mädchen doch die attraktivsten (meiner Meinung nach).
Nicht umsonst sind Models oftmals größer als die durchschnittliche Frau.
Dabei ist meine Absicht nicht zu sagen, dass große Frauen besser sind als kleine, sondern, dass es Menschen gibt, die große Frauen perfekt finden und Menschen gibt die kleine Frauen perfekt finden.
Also macht euch keine Gedanken über eure Größe. Ihr seid perfekt so wie ihr seid, egal wie groß und Leute da draußen finden genau das an euch toll.
Grüße Phillip
Martin says
Ich wäre auch gern etwas grosser bin nur 169 cm/52 Kilo ,