Festivals – das ist immer wenig Realität, wenig Empfang und wenig erklärbar. Festivals – das sind Freudentränen auf den Wangen, Sprühregen, der genau zum Lieblingssong einsetzt. Festivals, das ist meistens keine Wahl des “was ziehst du an”. Keine Outfits – sondern reine, praktische Bekleidung. Das, worauf viele den ganzen Winter lang warten. Ausharren. Bis es endlich wieder rausgeht. Um unter dem Sternenhimmel die Lieder zu performen, die man den ganzen Winter in überdachten Clubs und allein im Dunkeln geübt hat – um ganz vielen ungelebten Träumen endlich eine Bühne zu bieten. Um Erinnerungen zu schreiben.
Das hier, ist mein persönlicher Festival Recap. Ich bin keine investigative Journalistin oder objektive Reporterin, die das ganze Wochenende immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, sondern einfach nur ein Festival Besucher mit subjektiven Erlebnissen. Das hier – ist meine Version der Dinge.
Das hier, das ist nicht Coachella, das ist Rock am Ring: Unwetter, Schlamm, Karohemden und Hoodies, Füße in Gummistiefeln soweit das Auge reicht und ziemlich viele glückliche Gesichter. Dieses Jahr beschränkten wir uns aus Gründen auf den Buchstaben L: Luise und Lina schnappten Lisa und Laura, um die perfekte Gang The L-Team zu bilden – es war großartig!
FREITAG – DAY 1
Die roten Gummistiefel gegen ein paar mattschwarze tauschen, weil die harmonischer zum Rest des Kleiderschranks sind? Check. Morgens durch die Spitaler Straße hetzen, um noch bequeme Sohlen, einen mobilen Akkucharger, Bargeld, Verpflegung und Unmengen an Wasser zu besorgen? Check. Feststellen, dass Hamburg ganz schön weit weg vom Rest der Welt ist, weil Stau und auch generell? Check. Bock auf knapp 100.000 Menschen, dieses Jahr Besucherrekord? CHECK!
Wir kamen nach acht statt vier Stunden Fahrt an, holten unsere Bändchen ab und parkten in einem abgelegen Dorf, da die Autos, die knietief im Schlamm feststeckten, uns gelinde gesagt ein bisschen Angst machten. Einen kurzen Fußmarsch später betraten wir endlich das heilige Gelände und wunderten uns über die Leere, die sich erstreckte. Keine Menschenseele am Handbrot, vor den Bühnen fast leer, obwohl Tenacious D oder Panic at the Disco spielte? Wo sind die Menschen? Was wir da noch nicht gerafft hatten: Kurz zuvor wurde das Gelände evakuiert. Haben wir nicht bekommen. Ich habe dann erst dank Whatsapp und vielen besorgten Nachrichten und dem anschließenden Checken von Facebook und der RAR App geschnallt, dass es quasi gerade noch ziemlich mit Gewitter abging, inklusive Verletzten. Kacke. Ich bin in großer Hoffnung, dass es allen wieder gut geht!
Volbeat & Major Lazer
Das Gelände füllte sich dann wieder Volbeat trat also mit einiger Verspätung auf – aber war dafür umso geiler! Und erlaubt mir auch zu erwähnen, dass es den kompletten Abend trocken war – großartig! Volbeat ist neben Rise Against einer meiner Favourites zum Laufen, Sport machen, Abreagieren und alles Rauslassen, was das umkoordinierte Zucken meiner Beine während des ganzen Auftritts erklärte. Auch wenn die anderen nicht die größten Fans waren, ich gab trotzdem alles. Face-Song: Still Counting! Der wird neben Lola Montez mitperformt wie keiner sonst. Bislang viel zu wenig gehört und dort für mich entdeckt habe ich Seal the deal, I only wanna be with you und For Evigt. Aber dass sich alle Lieder irgendwie ähnlich anhören hat den Vorteil, dass man nur zwei Lines hören braucht und quasi jeden Song mitsingen kann. Ich mag das. (So, bitte nebenbei Musik anschalten …)
Gerade als wir nach Volbeat zur anderen Stage rübergedackelt waren, erkannte ich, was Sache ist: Der gute Major Lazer verpatzte jeden Übergang. Klang ungefähr so, wie wenn ich als Beifahrer in einer zu langen Spotify Playlist nach einem Lied suche: 30 Sekunden anspielen, Pause und dann nächstes. Da bekommen nicht nur meine Mitfahrer hektische Flecken, sondern auch die Menge vor der Bühne. Gerade wenn du richtig am Ausrasten bist, zack, Stille und nächstes Lied. Und trotzdem war die Musikauswahl so unfassbar gut – so gut, dass ich danach völlig aus der Puste und voller Schlamm war. Ich fühlte mich wie auf dem besten Trip meines Lebens – und ich war das komplette Wochenende nüchtern. Sagt viel darüber, wie mitreißend diese Menge war. Und das mit den Übergängen war nach der fünften Stille auch einfach nur verdammt witzig. Stresslachen, nennt Lina das – irgendwann findet man selbst das Absurdeste einfach nur unfassbar lustig. Kurzum: Major Lazer war ein echtes Highlight, und ich online schon auf der Suche nach diesem göttlichen Set (auf YouTube ist leider alles stummgeschaltet) und kommenden Auftritten. Könnte man sich nochmal geben. Mein genereller Fave-Song: Powerful!
SAMSTAG – DAY 2
Neuer Tag: Neues Glück: Der Tag begrüßte uns mit strahlendem Sonnenschein, gemeinsamen Brötchenpicknick und ersten Blasen vom Gummistiefel tragen. Die generelle Erkenntnis des ganzen Vormittags: Man hängt einfach viel zu wenig grundlos zusammen den ganzen Tag mal rum im “real life”. So wo jeder sein Ding macht, online was checkt oder veröffentlicht, telefoniert, Instagram absetzt, Brötchen schmiert, über Salatzutaten diskutiert, Gummistiefel putzt, zusammen im Supermarkt einkauft, Klamotten trocknet und entschlammt, Gespräche über Objekte der Begierde und Mädchenthemen führt oder einfach noch mal einpennt. VIEL! ZU! SELTEN!
#yourockwecare #lidllohntsich
Kurz diskutierten wir den Gedanken, uns doch #lauralohntsich, #luiselohntsich Schilder zu basteln, verwarfen es doch aber schnell wieder auf Grund von ungewollter Doppeldeutigkeit. Dabei wollten wir einfach nur Lidl (noch ein L in der Gang!) Tribut zollen, die auf dem Rock am Ring einen Festivalsupermarkt betreiben. Nur zu gut erinnere ich mich noch an die Festivalzeiten, wo ich mir tatsächlich Gemüse Ravioli, Toastbrot und Müsliriegel drei Tage lang reingezogen habe – und ich nicht nur gefühlt dauerhungrig war. Wer genauso wenig Fan von Ravioli ist wie ich und auch keine 5 Euro pro Portion für Handbrot 5x am Tag locker machen möchte, ist hier sehr richtig aufgehoben: Salat, gesundes Zeug zu sehr humanen Preisen (kostet tatsächlich nicht bedeutend mehr als im normalen Lidl) sowie allerlei kleine Helferchen, die auf Festivals dringend nötig sind: Ich denke da an frischen Kaffee und frische Brötchen, allerlei Grillgut und kennt ihr diese Schokoladencravings auf Festivals? Bäm! Lidl #Rockshop is your best friend aufm RaR.
Red Hot Chili Peppers & Billy Talent
Mich überraschte, dass ich quasi jedes Lied mitsingen konnte. Irgendwie – kennt man sie alle. Könnt ihr ja mal in meiner Spotify Festival Summer ’16 Playlist siehe oben ausprobieren – ich wette, auch ihr könnt jedes Lied auswendig mitgröhlen! Die guten catchten mich auch, allerdings kam die Menge nicht so richtig in Fahrt. Ich weiß nicht, ob das Gewitter noch zu sehr in den Knochen steckte, oder ich mich einfach grundsätzlich in den falschen Ecken vor Konzertbühnen aufhalte: Aber Leute, die stumm da stehen, die Musik nicht fühlen, nicht mitsingen, den Song nicht leben, bewegungslos dastehen, als würden sie ein Gemälde in einer noblen Kunstgalerie betrachten, machen mich irre. Vor allem überträgt sich so gesammelter Missmut dann auch auf mich und ich kann die Musik auch nicht mehr mitleben. Seid ihr schonmal in einer regungslosen Menge ausgerastet, wurdet angeguckt und habt euch dann lieber an die Bar verzogen? Das war ich bei den Red Hot Chili Peppers.
Es war sehr gut, dass die Reihenfolge getauscht wurde und Billy Talent letztlich 02:30 der Closer war – denn die setzten auf die Red Hot Chili Peppers nochmal ordentlich noch einen drauf. Ich war richtig geflasht! Klar, ist jeder in seiner Jugend irgendwie mit Billy Talent aufgewachsen, und trotzdem gehörten sie für mich zu den typischen (persönlich) viel zu wenig gehypten Bands. Für sowas – war ich hier. Für sowas – sind Festivals ein Must Have jeden Sommer. Weil du Songs einfach ganz anders wahrnimmst, neue Schätze entdeckst, dich verliebst – in Musik oder das ein oder andere interessante Gesicht. Billy Talent war der perfekte Soundtrack, für das ganze RaR, für die folgende viel zu kurze Nacht, für die Heimfahrt, für den Start in einen grandiosen Sommer.
SONNTAG – DAY 3 – DIE ABSAGEFRAGE
Ihr habt es sicherlich online gelesen: Das RaR stand dieses Jahr unter keinem guten Stern. Nach dem zweiten Tag war Schluss – für den Sonntag gabs wegen weiterer Unwetter keine Spielgenehmigung. Und natürlich, geht Sicherheit immer vor. Trotzdem finde ich es schade, wenn besorgte Mütter und generell nur Menschen, die nicht auf dem Gelände sind, es sich in Facebook Kommentaren supereinfach machen: Absagen!!! Schrien Berge an Hasstiraden gegen Marek Lieberberg und die “Geldgier” der Betreiber auf der Rock am Ring-Seite.
Dass es nicht so einfach ist, zeigten die vielen Antworten der RaR-Besucher, die ihren kläglichen Empfang und ohne 3G zu erklären versuchten, dass sie weitermachen wollen, dass nicht 92.500 Leute umsonst angereist sein wollen, dass sie eigenverantwortliche und selbstständig handelnde Menschen sind, dass überall sonst auch ein Gewitter rüberziehen könnte, dass sie gerne selbst entscheiden wollen, wann sie abzureisen haben, dass das nichts mit Geldgier zu tun hat, sondern dass eine vorschnelle Absage, nicht nur Schaden im Geldbeutel sondern vor allem in den bleibenden Erinnerung veranlasst. Aber Zuhause vom Sofa, ohne dieses Festivalgefühl, ohne die Freude in den Augen der Menschen, ohne die Gänsehaut, wenn Billy Talent “Red Flag” anstimmt – kommentiert und entscheidet es sich sowieso ziemlich, ziemlich leicht. Ich selbst nehme mich da nicht aus – denn ich watete nur zum Supermarkt über den Zeltplatz. Da ist ein “Weitermachen”-Schrei natürlich leicht getan. Wahrscheinlich passt da der Spruch “Ein bisschen Ahnung würde deiner Meinung gut tun” ganz gut. Und letztendlich – hat sowieso immer jeder seine eigene Sicht der Dinge …
Wir versuchten aber wie immer, das beste in jeder Situation zu sehen und feierten einfach nach ein paar Stunden Schlaf ab 9 Uhr im Auto alle verpassten Tracks nach – Kid Simius, Biffy Clyro & Korn, und litten zwischendurch zur Abwechslung ein bisschen zu James, Ed oder Justin. Ein SUPER Roadtrip! Sogar der 13km Stau, den wir kurz vor Bremen noch mitnahmen, erfreute mich sehr: Denn so konnte man viel besser das Fenster runterlassen und die umliegenden Autos anperformen, die Smartphones dabei als Mikro. Wir haben uns dabei viele Freunde gemacht – und an diesem geschenkten Sonntag hatten wir ja sowieso alle Zeit der Welt. Und nächstes Jahr? Sind wir natürlich wieder dabei!
Bilder sind teilweise von Lisa, Lina oder Laura (hier zu Lisas Posting, Linas Posting folgt)
in freundlicher Kooperation mit Lidl
Anna says
Oh schön, schön, schön! Bei diesem Post geht mir das Herz auf. Wie die richtigen Worte und ein paar Bilder so viele Festival-Erinnerungs-Vorfreude-Endorphine ausschütten können!
Luise says
Da wird man ja richtig neidisch! Ich finde es super, dass ihr euch die Laune nicht verderben lassen habt! So fröhlich durch ein Unwetter-Wochenende tanzen.. Das kann nur das L-Team, haha! (Ich finde ihr solltet das ab jetzt etablieren ;)
http://www.diegeniesserin.de
Johanna says
Ich war selbst dort und muss sagen ich war über die Absage schon sehr enttäuscht. Das viele bei den Red Hot Chili Peppers nicht abgegangen sind, lag an dem wahnsinnig miesen Sound. Wir standen etwas weiter hinten und haben wirklich nichts gehört und kein Wort verstanden. Das war echt schade. Dass viele Bands wie Black Sabbath, die man so schnell nicht nochmal zu sehen bekommt wenn überhaupt, Korn, Rival Sons etc. ausgefallen sind, machte uns natürlich doppelt traurig. Meine Bilanz daher: Alles echt beschissen gelaufen.
Trotzdem schöner Beitrag von dir und vielleicht geht nächstes Jahr ja wieder mehr. :)
Ganz liebe Grüße,
Johanna |http://dream-factory-of-my-world.blogspot.de
Mendigerin says
Schön, wenn eine Hamburgerin mal in meine Stadt kommt :) Umgekehrt war ich erst eine Woche vor RaR in Hamburg, wirklich eine wunderschöne Stadt. Fand es zwar auch sehr schade, dass es vorzeitig abgesagt wurde, aber ich finde gut, wenn die Leute das Beste aus der Situation machen und nicht nur rumnörgeln :) Viele Grüße aus Mendig, Vllt. sieht man sich ja nächstes Jahr ohne Schlamm. Solange schaue ich gerne weiter deine Videos ;)