Ich wache morgens auf, noch leicht benommen von den zwei Margaritas am Abend zuvor, und halte mein Gesicht in die Sonne, die langsam über den Rand der Balkonbrüstung in das Schlafzimmer klettert. Meine Arme tun weh vom Power Yoga gestern, mein Rücken auch. Auf so eine gute Weise. Auf die, bei der man sich lebendig fühlt, in seinem Körper angekommen. Mein Daumen scrollt über den kalten Bildschirm, ich checke die Nachrichten, und ziehe dann einfach Flip Flops unter meine Schlafshorts und das kurze Top und laufe los.
Die kleine Stadt schläft noch, als ich kurz nach sieben über die unebenen Plastersteine der Quinta schlappe. Die Sonne steht noch tief, bricht sich nur vereinzelt ihren Weg in die kleinen Gassen, die ich kreuze. Ich lächele den jungen Frauen zu, die gerade dabei sind, ihre nebeneinander gelegenen Läden aufzumachen, den paar Joggenden, die an mir vorbeiziehen.
Gehe immer weiter die Fifth Avenue entlang, an den Bars und Restaurants vorbei, die gerade die Spuren des Vorabends beseitigen, an großflächigen Regenpfützen der vergangenen Nacht und ersten Kaffeehungrigen. Vor meinem Stamm Coffeeshop ist bereits eine Schlange, aber die Mexikaner arbeiten schnell und effizient. Ich bestelle auf spanisch, sie lächeln mich an, und ich schlappe zurück, Gesicht zurück in die Sonne, Straße für Straße.
Ich habe hier meinen Rhythmus gefunden: Schreibe morgens und arbeite kreativ, unterbreche für Bewegung, laufen, Yoga oder Pilates, führe mich selbst spazieren, lese mittags in der Sonne, erledige nachmittags meine Uni-Aufgaben oder lerne spanisch, treffe neue und unbekannte Gesichter, mache sie zu Freunden. Die Tage hier tun mir gut. Sie lassen mich hier wie zu Hause fühlen.
Obwohl ich das nicht bin. Und dennoch ist das Gefühl, hierhin zu gehören. Ich hatte das schon öfter in Städten, in Porto zum Beispiel und in Kopenhagen auch. Als würden wir im gleichen Rhythmus atmen. Vielleicht, weil wir uns direkt verstehen. Auskennen, nichts mehr nachsehen müssen. Weil sich hier treiben lassen immer einem Finden statt einem Verlorengehen gleicht. Und immer der Gedanke: Ich will hier bleiben. Irgendetwas stimmte hier für mich.
Ein Zuhause kann überall auf der Welt auf uns warten. Es müssen nicht die vier Wände sein, in denen wir aufgewachsen sind, nicht die Stadt der Kindheit, nicht dort, wo wir am längsten sesshaft waren. Vielleicht ist es ein Mensch, ein Gefühl, immer veränderlich. Vielleicht ist es dort, wo wir uns fallen lassen können. Vielleicht ist es ein Ort 8.900 Kilometer weit entfernt.
Die Frage, wo wir leben wollen, steht immer zwischen uns und uns selbst. Speziell, wenn wir alleine damit sind. Weil wir niemanden haben, der seinen Input dazu gibt, sie für uns beantwortet. Wir sind damit auf uns allein gestellt. All diese Möglichkeiten, aus denen wir für ein gutes Leben auswählen konnten. So bunt und vielfältig und einschüchternd zugleich. Dabei hatte ich für mich noch nicht einmal beantwortet, und vielleicht war es die nächste Frage, die sich stellte: Ob wir uns überhaupt irgendwo zu Hause fühlen wollten. Irgendwo anders, außer in uns selbst.
Alleine laufe ich durch die Straßen hier, die sich so groß anfühlen, wenn ich morgens für mich hier entlanggehe, und so klein, wenn sie abends von den durstigen Massen geflutet werden. Frühes Dinner, ein Glas Wein, den Laptop offen, das Buch dabei. Ich beobachte die bunten Lichter, die Menschen. Sonnengebräunte Haut. Die Stadt glitzert, zwischen den gespannten Lichterketten und den lachenden Gesichtern, zwischen Vorfreude auf das neue Jahr, und der Hoffnung, oder dem tiefen Vertrauen darin, dass es besser wird.
Für mich konnte ich sagen, dass es das längst war.
Lou says
Ich finde immer so viel Comfort und Hoffnung in deinen Worten <3
Jana says
Es ist immer wieder wie Balsam für die Seele deine Zeilen zu lesen. Immer und immer wieder.
Joana says
Du sprichst genau das aus, was ich fühle und nicht in Worte fassen kann.. danke dir